Schwerpunkte

Calciumsulfat-Bindemittel
Im deutschen Sprachgebrauch werden Bindemittel auf Basis von Calciumsulfat „Gips“ genannt. Die korrekte chemische Bezeichnung für Gips ist Calciumsulfat-Dihydrat, welches jedoch kein Bindemittel, sondern ein Hydratationsprodukt der Bindemittel Anhydrit (CaSO4) und Halbhydrat (α-, β-CaSO4. ½ H2O) darstellt. In der Natur kommt Gips als Felsgestein in zahlreichen großen Lagerstätten vor und wird weltweit abgebaut. Zusätzlich wird Gips in der Industrie als Abfall- und Nebenprodukt gewonnen. Seit Mitte der 80er Jahre fällt zum Beispiel REA-Gips bei der Abgaswäsche in Rauchgas-Entschwefelungs-Anlagen von Kraftwerken in großen Mengen an. So genannter Synthese-Anhydrit entsteht bei der industriellen Herstellung verschiedener chemischer Verbindungen, wie zum Beispiel  von Flusssäure aus Flussspat.
Gebrauchsfertige Baustoffsysteme werden durch Kombination von CaSO4-Bindemitteln, Zuschlägen und chemischen Zusätzen hergestellt. Es ist deshalb von großem Interesse, die Interaktionen verschiedener Zusätze in Bindemittelsystemen zu verstehen.
Am Lehrstuhl für Bauchemie werden unter anderem Untersuchungen zum Wirkmechanismus von Polycarboxylat-basierten Fließmitteln in CaSO4-Baustoffen durchgeführt. Fließmittel bewirken schon in geringen Dosierungen (0,05 - 0,2 %, bezogen auf die Bindemittelmasse) eine erhebliche Verbesserung der Verarbeitbarkeit des Bindemittel-Systems. Sie erlauben auch, den Wasser-Anspruch (Wasser-Bindemittel-Verhältnis) zu erniedrigen. Auf diese Weise bewirken sie eine Steigerung von Festigkeit und Dauerhaftigkeit des abgebundenen Systems.  Am Lehrstuhl für Bauchemie wird der Einfluss der Molekülarchitektur verschiedener Polycarboxylate (Variationen der Seitenkettenlänge, der Hauptkettenlänge sowie der Ladungsmenge) auf CaSO4-Phasen untersucht. In Abbildung 1 sind AFM-Aufnahmen eines Polycarboxylats mit langer Seitenkette und niedriger Ladungsmenge auf einer Graphitoberfläche dargestellt.

Abb. 1:   AFM-Aufnahmen des Polycarboxylats 45 PC 1,5

Des Weiteren werden die Auswirkungen anorganischer Salze auf die Eigenschaften von Calciumsulfat-Bindemittelsystemen untersucht. Zugabe von Kaliumsulfat zu Anhydrit z. B. bewirkt Bildung von Syngenit, welcher die Hydratation des Bindemittels erheblich beschleunigt und als Anreger wirkt. Allerdings kann in Anwesenheit dieser löslichen Sulfate die Wirkung bestimmter Polycarboxylat-Fließmitteln deutlich beeinträchtigt werden (Abbildung 2).
 
Abb. 2: Einfluß der K2SO4-Dosierung auf die Adsorption verschiedener Polycarboxylat-basierter Fließmittel auf REA-Anhydrit

Dieser Effekt beruht auf der kompetitiven Adsorption zwischen Sulfat-Anionen und Polycarboxylat-Molekülen auf der Bindemittel-Kornoberfläche.
Des Weiteren wird untersucht, inwiefern Natriumpolyphosphate (Abbildung 3) die Hydratation von Alpha-Calciumsulfat-Halbhydrat zu Calciumsulfat-Dihydrat verzögern. Die Wirkungsweise dieser erstarrungsregulierenden Zusätze beruht auf der hohen Affinität der Polyphosphate zu Calciumionen, welche für die weitere Hydratation nicht mehr zur Verfügung stehen.

Abb. 3: Allgemeine Struktur von linearen Polyphosphaten