Schwerpunkte

Tiefbohrzementierung
Die Erschließung von Öl- bzw. Gaslagerstätten ist technisch eine sehr anspruchsvolle Aufgabe und findet heutzutage in immer größeren Tiefen statt. Sie erfordert die Einzementierung der Verrohrung zum Abdichten und Abstützen der Bohrlochswand (Abb. 1 links). Außerdem soll der Zementmantel die Migration von Lagerstättenflüssigkeiten oder -gasen in höher- oder tiefergelegene Formationen unterbinden (sog. "zonal isolation"). Bei der Tiefbohrzementierung wird eine Zementschlämme durch die Rohrtour zur Bohrlochsohle gepumpt und dort von unten nach oben in den Ringraum zwischen Gesteinswand und Rohrtour gepresst (Abb. 1 rechts). 2007 werden weltweit insgesamt 108.000 Bohrungen mit einer gesamten Zementationsstrecke von 160.000 km abgeteuft [1]. Der derzeitige Jahresverbrauch an Tiefbohrzement beträgt über 1 Mio. Tonnen.
 
Abb. 1: Schematische Darstellung der Tiefbohrzementierung; links: Ringraumzementierung in Intervallen; rechts: Einbringen der Zementschlämme in den Ringraum zwischen Rohrtour und Gesteinswand.

Hochleistungsadditive werden der Zementschlämme zugesetzt, um eine vollständige Ringraumzementation der Rohrtour bei den im Bohrloch herrschenden extremen Bedingungen (Temperaturen bis 250°C, Drücken bis 150 MPa und aggressiven Lagerstättenwässern) zu gewährleisten.

Der Zusatz von Wasserretentionsmitteln bzw. Fluid Loss-Additiven (FLA) zur Zementschlämme verhindert z.B. übermäßige Wasserabgabe (sog. Fluid Loss) an porösen Formationen während und nach der Platzierung im Bohrloch. Dadurch wird das Eindicken der Schlämme während des Pumpvorgangs verhindert und ein konstanter Wasser-Zement-Wert gewährleistet, der eine vollständige Hydratation des Zementes erlaubt. Um gleichzeitig Verpumpbarkeit über mehrere 1.000 m zu gewährleisten, werden der Tiefbohrzementschlämme zusätzlich Fließmittel, sog. Dispersants zugesetzt.

Unsere Arbeitsgruppe beschäftigt sich mit den Wirkmechanismen dieser Additive (AMPS®-Copolymere, Hydroxyethylcellulose, Polyvinylalkohole, Polyethylenimine, Aceton-Formaldehyd-Sulfit Polykondensate, Lignosulfonate u.v.m., siehe Abb. 2) in Zementschlämmen sowie mit den Wechselwirkungen in Zusatzmittelkombinationen. Wir setzen kolloidchemische Untersuchungsmethoden wie z.B. Adsorptions- und Zeta-Potentialmessungen ein, um die Oberflächenprozesse zu studieren, die für die Wirkung der Additive maßgeblich sind. Anhand dieser Grundlagenerkenntnisse kann die Wirkung der Additive weiter optimiert werden.


Abb. 2: Chemische Strukturen der Polymere für die Tiefbohrzementierung.

Ein weiteres Forschungsgebiet ist die Zementchemie von Tiefbohrzement. Aufgrund der sehr hohen Temperaturen und Drücke hydratisiert Tiefbohrzement teilweise zu gänzlich anderen Phasen als konventioneller Bauzement. Wir untersuchen insbesondere die Hydratation von Tiefbohrzement in Gegenwart von Microsilica, Flugasche, Hüttensand oder anderen Zumahlstoffen.

[1]  World Oil, Special Focus: Outlook 2007 Worldwide Drilling, in World Oil
      Magazine, Houston, TX 2007, Vol. 228 (2).